Informationstexte zum Unterrichtsgespräch

 

  

Typen von Unterrichtsgesprächen mit zunehmender Lenkung durch den Lehrer

 

* Die Unterhaltung ist die lockerste Form des Unterrichtsgesprächs: Schüler und Lehrer tauschen ihre Ansichten und Meinungen aus. Dabei kann der Gegenstand beliebig wechseln. Man kommt häufig vom hundertsten ins Tausendste. Je abwechslungsreicher ein solches Gespräch ist, umso unterhaltender und anregender ist es. Das Unterhaltungsgespräch verläuft im allgemeinen weder ausgesprochen zielstrebig noch planmäßig. Es läßt den Beteiligten völlige Freiheit, sich an einem bestimmten Thema zu beteiligen oder nicht bzw. das Thema zu wechseln.

* Das Schülergespräch ist eine Gesprächsform, in der sich der Lehrer möglichst weit zurücknimmt und den Schülern den freien Raum läßt, ihre eigenen Erfahrungen, Bedürfnisse und Phantasien zu veröffentlichen und zu reflektieren.  Diskussion, Streitgespräch, Pro-und-Contra-Gespräch, Debatte sind stark verregelte Schülergespräche zur Erörterung umstrittener konsensbedürftiger Fragen und Probleme. Diese im Bewußtsein der Schüler durch die Medien geprägten Gesprächsformen dienen der Einübung in demokratische Formen der Konfliktlösung sowie der wissenschaftspropädeutischen Schulung der Argumentationsfähigkeit. Als historischer Vorläufer kann die "disputatio" des Mittelalters betrachtet werden.

* Als Lehrergespräch oder gelenktes Unterrichtsgespräch werden jene Gesprächsformen bezeichnet, in denen der Lehrer Inhalt und Ziel des Gesprächs vorgibt, aber die Schüler durch regelmäßige Zwischen- und Rückfragen (Verständnis-, Wiederholungs-, Beispiel-, Prüfungsfragen) zum aufmerksamen Nachvollziehen des Gedankenganges zwingt. Im fragend-entwickelnden Gespräch nutzt der Lehrer geschickt die Vorkenntnisse der Schüler sowie ihr logisches oder psychologisches Argumentationsver­mögen, um einen Sach-, Sinn- oder Problemzusammenhang aus der Sicht und in der Sprache der Schüler fragend zu entwickeln. Das sokratische Gespräch wird zumeist als historischer Vorläufer des fragend-entwickelnden Gesprächs betrachtet.

 

* Das Prüfungsgespräch ist eine aus der mittelalterlichen Katechese entwickelte Form der Leistungskon­trolle. Die Lehrerlenkung kann im Prüfungsgespräch zumeist nur punktuell zurückgedrängt werden -aber selbst dort, wo ein für beide Seiten interessantes Gespräch entsteht, bleiben eindeutig geregelte Herrschaftsverhältnisse bestehen.

 

(nach Meyer, 1985, S. 280f)

 


 

Ein Unterrichtsgespräch

 

Mitschnitt einer Video-Aufnahme aus dem Deutschunterricht der 7. Klasse eines Gymnasiums

Thema der Stunde ist die Kurzgeschichte +Das Nachtpfauenauge* von Hermann Hesse. Die Schüler hatten die Hausaufgabe, die Geschichte zu lesen; nun rekapituliert der Lehrer im gelenkten Gespräch, um welche Textsorte es sich handelt:

 

Lehrer:    Ja also, wir sehen, das ist eine Jugenderinnerung, die er hierbei aufschreibt (schreibt das Wort an die Tafel) und . . . Nun habe ich noch eine Frage: Wo, in welcher Art Bücher würdet ihr denn so eine ... Erinnerung erwarten, so eine Geschichte? .. .Außer, daß es nun mal im Lesebuch drinsteht, nich?... Ja, Ralf?

Ralf:        Vielleicht in einem Tagebuch oder so?

Lehrer:    Tagebuch? .. . (einige Schüler sagen: Nein) .., Warum nicht, Jan?

Jan:         Weil das ja über mehrere Jahre geht.

Lehrer:    Nun, was schreibt man eigentlich in ein Tagebuch? .. .Von einem Tag? (mehrere Schüler reden) ... Das heißt also? Ja!

Schüler:   ... daß man da nicht alle diese äußeren Handlungen da und so schreibt, sondern in einem Tagebuch das, was man empfindet, mehr dahinschreibt

Lehrer:    Ja, und worüber empfindet man es? Das, was man im Tagebuch schreibt, worüber empfindet man das?

Schüler:   Über den einzelnen Tag. Man kann ja nicht ...

Lehrer:    (unterbricht den Schüler) Ja, über welchen Tag, das ist glaube ich noch nicht ganz deutlich geworden. . . (auffordernd) Im Tagebuch schreibe ich. . .? Na, nehmen wir mal als Beispiel - heute ist der 25. 10. 1986 - was könnte man im Tagebuch heute abend (wenn jemand Tagebuch führt) - was könnte man da reinschreiben? Claudia!

Claudia:  Das über den Tag, was er erlebt .hat. Lehrer: Über welchen Tag? Claudia: Heute.

Lehrer:    Heute, Genau. Wir hatten aber ja festgestellt, bei unserer Geschichte, da ist ein Abstand von etwa 22 Jahren. . . Jens!

Jens:        Ich glaub, in gesammelten Werken und so?

Lehrer:    Mmh. Gesammelte Werke. . . Oder? Joachim?

Joachim:  Vielleicht im Krimi oder so? (andere Schüler lachen)

Lehrer:    Na!

Schüler:   Abenteuerbuch?

Lehrer:    (an die übrigen) Abenteuerbuch?

Schüler:   In einem Jugendbuch?

Lehrer:    Ja, ich glaube, jetzt seid ihr aufs Raten gekommen. Wir wollen das nochmal überlegen. Wir haben festgestellt, es handelt sich um eine Jugenderinnerung, die er etwa 20 Jahre später, wie Joachim vermutet hatte, und das war ja ganz toll, die er 20 Jahre später aufschreibt. . . Tja, wenn's nicht Tagebuch ist, weil man da gleich etwas aufschreibt, dann müßte es wohl etwas anderes sein. Na, Silke?

Silke:      In Karl-May-Büchern, da schreibt er ja auch alles also in Ich-Form und schreibt es dann also...

Lehrer:    (unterbricht Silke) Haben wir in dieser Geschichte Ich-Form?

Schüler:   Teilweise wohl.

Lehrer:    Teilweise. Ja, ist richtig. Mmh.

Schüler:   Vielleicht ist es auch ein Buch, wo so'ne Lebensbeschreibung von einem Künstler, wo man dann ...

Lehrer:    (unterbricht) Ich glaube auch, nich! Das ist also nicht nur eine Jugenderinnerung, sondern es ist eine Lebenserinnerung (schreibt das Wort "Lebenserinnerung" an die Tafel).

Schüler:   Eine Geschichte aus seinem Leben vielleicht ...

Schüler:   (leise dazwischenredend) Memoiren!

Lehrer:    Ja, und hier ist schon jemand ...

Schüler:   (zwischenrufend) Lebensgeschichte!

Lehrer:    ... ganz perfekt in Fremdwörtern und sprach von Memoiren. ‑ Was sind das denn? Schüler: Memoiren sind so ähnlich... von früheren Erlebnissen...

Lehrer:    Ja, das sind Erinnerungen, nich, das ist ein Wort aus dem Französischen, und da sind die Erinnerungen nun aufgefaßt.

 

nach: Hilbert Meyer (1987). Unterrichtsmethoden, Band II, S. 283f



 

 

10 Gebote der Fragetechnik - richtig oder falsch?

 

 

 

 

ja

 

nein

 

(1)  Vermeiden Sie "Lehrer-Echo" (Wiederholung dessen, was Schüler gesagt haben)!

 

 

 

 

 

(2)  Formulieren Sie Fragen grammatisch korrekt! (Also nicht: "Die Hauptstadt von Ecuador heißt wie?")

 

 

 

 

 

(3)  Geben Sie keine Informationen selber, die auch Schüler geben könnten!

 

 

 

 

 

(4)  Vermeiden Sie suggestive Äußerungen ("Ist das wirklich wichtig?")!

 

 

 

 

 

(5)  "Impulse", d. h. Anregungen in Form von Aussagesätzen, sind besser als Fragen oder Auf­forderungen.

 

 

 

 

 

(6)  Vermeiden Sie "enge" Fragen! Vermeiden Sie insbesondere Entscheidungsfragen ( Fragen, die mit ja oder nein beantwortet werden können)!

 

 

 

 

 

(7)  Vermeiden Sie "Kettenfragen"! (Beispiel: Am Beginn einer Deutschstunde fragt der Lehrer: "Wie finden Sie die Novelle? Ist Ihnen irgend etwas Besonderes aufgefallen? Was sagen Sie zur Hauptfigur?")

 

 

 

 

 

(8)  Stellen Sie keine "W-Fragen" (Wer, Wie, Was ... )

 

 

 

 

 

(9)  Lassen Sie die Schüler nicht im unklaren darüber, ob sie etwas Richtiges oder Falsches gesagt haben!

 

 

 

 

 

(10)      Stellen Sie unaufmerksamen Schülern Fragen, die sie nicht beantworten können.

 

 

 

 

 

Bitte entscheiden Sie sich und kreuzen Sie an!

 


 

Häufige Interaktionsstrukturen beim Unterrichtsgespräch

 

 

1. Das Lehrer-Schüler-"Ping-Pong"-Gespräch

               

 

2. Das Schüler-Schüler-Impuls-Gespräch

 

               

 

L stellt Frage - S1 antwortet - L gibt kurze Rück­meldung oder Kommentar - L stellt die nächste Frage ...;

Schema: L - S1 - L - S2 - L - S3 - L - S4 - ...

Kennzeichen:

- sternförmige Interaktionsstruktur

- S antworten nur dem L

- L kontrolliert das Gespräch vollständig und zu jeder Zeit

 

L gibt Impuls - S3 antwortet darauf - S5 ant­wortet auf S3 - ... Lehrer greift sporadisch erneut ein durch neuen Impuls

Schema: L - S1 - S2 - S3 - S4 - S5 - L - ...

Kennzeichen:

- kreisförmige Interaktionsstruktur

- S reagieren auf  S und L

- L lenkt nur durch gelegentliche Impulse

 

 


Fragen im Unterricht

Funktionen

Wenn man seine eigenen Fragetechniken im Frontalunterricht verbessern will, so muß man sich zunächst einmal Klarheit darüber verschaffen, welche Funktion die gestellte Frage erfüllen soll:

* Der Lehrer stellt z. B. Fragen, um bei Beginn eines neuen Unterrichtsschritts die Vorkenntnisse der Schüler zu ermitteln.

* Er stellt Fragen, um ihre Aufmerksamkeil zu wecken. D Er stellt Fragen, um die Schüler zum Nachdenken zu provozieren.

* Er stellt Fragen, um die Schüler zu disziplinieren. Diese Disziplinierungsfragen sind zumeist keine echten Fragen, sondern in Frageform verkleidete Appelle, Belobigungen oder Tadel.

 Der Spieß kann auch umgedreht werden: Die Schüler haben etwas von sich aus zu berichten und der Lehrer stellt Fragen, um sich selbst schlau zu fragen (z. B. dann, wenn die Schüler dem Lehrer einen Computer oder das Frisieren eines Mopeds erklären).

 

Formen

Erst wenn geklärt ist, welche Funktion eine Frage haben soll, kann überlegt werden, welches ihre angemessene Form ist. Man kann z. B. unterscheiden zwischen:

* inhalts- / prozeß- / beziehungsbezogenen Fragen: "Wer kennt eine Definition für Handlungsmuster?" / "Seid ihr jetzt endlich fertig?" / "Was ist eigentlich heute mit dir los?"

* Wissensfragen ("Wer ist Alfred Hrdlicka?") und Denkfragen ("Wie könnte ein Denkmal für Friedrich Engels gestaltet werden?")

* Offene ("Wer weiß noch mehr darüber?") und geschlossene Fragen ("Wie heißt die Hauptstadt von Frankreich?")

* Konvergente und divergente Fragen: Beim "konvergenten" Denken wird bereits Bekanntes und Vertrautes auf neue Probleme oder Situationen angewendet bzw. weiterentwickelt. Beim anspruchsvolleren "divergenten" Denken müssen neue Sach-, Sinnoder Problemzusammenhänge durchschaut oder aufgebaut werden, die zum Teil oder ganz im Widerspruch zum bisher Bekannten stehen.

* "Schrotschuß"-Fragen: Sie sind absichtlich unscharf. Sie zielen nur ungefähr in die Richtung, in die der Lehrer das Gespräch lenken will. Sie sollen dazu führen, daß sich möglichst alle Schüler der Klasse angesprochen fühlen und beteiligen können: "Einige von euch haben doch sicherlich zu Hause ein Haustier? Erzählt doch mal!"

* "Ballon"-Fragen: Sie greifen in der Ordnung des Lehrgangs vor und dienen dazu, eine neue Lernlandschaft zu erkunden. Der Lehrer testet, wie weit er gehen kann, z. B.: "Wißt ihr, was 'ne Anti-Baby-Pille ist?"

 Welche Form der Frage jeweils angebracht ist, hängt vom konkreten Unterrichtsverlauf ab. Es gibt aber eine Reihe typischer Fehlformen, die sowohl Berufsanfängern wie Routiniers unterlaufen können:

 * Ketten-Fragen: Der Lehrer stellt mehrere Fragen unmittelbar hintereinander und vermengt sie zumeist noch mit Sachinformationen.

* Suggestiv-Fragen: Der Lehrer will von den Schülern gar nichts Neues wissen, sondern verpackt seine Aufforderung, zuzustimmen, in Frageform: "Sind Sie jetzt auch, so, wie ich Ihnen den Sachverhalt erläutert habe, der Meinung, daß der Euro-Scheck ein praktisches Zahlungsmittel ist?" (Was sollen die Schüler darauf wohl antworten?)

* Echo-Fragen: Viele Lehrer neigen dazu, Schüler-Antworten zu wiederholen. Diese Wiederholung wird dann oft noch in Frageform verpackt: "So, meinen die anderen auch, daß Paris die Hauptstadt von Großbritannien ist?"

* Nase-Pul-Fragen: Der Lehrer stellt eine diffuse Frage, erwartet aber eine ganz präzise Antwort. Da diese längst nicht immer auf der Stelle folgt, pult und bohrt er so lange, bis die erwünschte Antwort da ist. Bei der Nase-Pul-Technik handelt es sich sicherlich um die häufigste und für die Schüler zugleich lästigste Fehlform der Lehrerfrage.

* Schein-Fragen: In Frageform verpackte Tadel oder Belobigungen, Ironisierungen, Anbiederungen usw.

* Killer- oder Fangschußfragen: Der Lehrer hat bemerkt, daß ein Schüler träumt, stört oder mit Nebentätigkeiten beschäftigt ist. Er nimmt ihn dran, um ihn bloßzustellen: "Na, Heiner, kannst du uns die Aufgabe noch mal erklären? Du paßt ja grade so prima auf!" 

Schüler registrieren sehr genau, welche Fragetechniken einzelne Lehrer beherrschen oder nicht beherrschen. Und sie registrieren auch, welche Haltung hinter der Fragetechnik steckt. Ironische Scheinfragen oder in Frageform verpackte zynische Kommentare müssen wirklich unterbleiben! (Bei Studenten und Referendaren rutschen sie auch allenfalls dann heraus, wenn die Angst vor den Schülern übergroß geworden ist.)

Die Kultivierung der Lehrerfrage ist die eine der möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Gesprächsführung - die verstärkte Arbeit mit alternativen Gesprächs- und Interaktionsformen die zweite! In der Literatur wird eine ganze Palette solcher Alternativen beschrieben. Sie haben durchweg zum Ziel, den Schülern mehr Freiräume zu verschaffen, um ihre eigenen Erfahrungen, Bedürfnisse und Interessen im Gespräch einzubringen:

 

Impulse

Im Unterricht verstehen wir unter Impuls eine neben und meist an Stelle der Lehrerfrage wirksame sprachliche, mimische oder gebärdenhafte Beeinflussung der Schüler durch den Lehrer. Ein Impuls ist also von seiner Funktion her definiert: Alles, was die Schüler zum Nachdenken oder zum Handeln bewegen kann, kann von einem Lehrer mit differenzierter Verbal- und Körpersprache zum Impuls gemacht werden:

* das Foto, das er ohne jeden weiteren Kommentar hochhält,

* die Provokation, die Gegenthese, die Verfremdung, mit der er vermeintlich sicheres Wissen in Frage stellt,

* die hochgezogene linke Augenbraue des Lehrers, mit der er Erstaunen oder Unzufriedenheit signalisiert,

* sein leises Stöhnen bei einer falschen Antwort,

* sein Schweigen.

 Der Impuls ist zumeist offener als die Lehrerfrage:

 

 

 

nach: Meyer, S. 207ff

 


 

Einige Hinweise zur Verbesserung der Gesprächstechnik

1.  Das Unterrichtsgespräch als bewusste Entscheidung

Ist die Entscheidung für ein Unterrichtsgespräch "automatisch" (als "Lehrerstandardreflex") oder ganz bewusst getroffen worden? Klären Sie insbesondere folgende Fragen:

-   Ist mehr Schülerselbständigkeit möglich? Können die Unterrichtsgegenstände nicht auch und genauso effektiv durch weniger Lehrerlenkung (z.B. in Einzel- Partner- oder Gruppenarbeit) erarbeitet werden?

-   Wäre ein Lehrervortrag effektiver? Viele Unterrichtsgegenstände können von den Schülern gar nicht durch "eigenes Nachdenken" gefunden werden (z.B. Fachbegriffe, Definitionen, bestimmte Forschungsergebnisse). In diesen Fällen teilen Sie dies ohne Umstände mit, statt es umständlich suggestiv "herauszufragen".

 

2.  Erkenntnisziele klären

Bevor Sie die erste Frage stellen: Formulieren Sie wörtlich, zu welcher Erkenntnis die nun folgende Gesprächssequenz führen soll. ("Die Schülerinnen sollen im Gespräch erkennen, dass ... ") Wenn Sie nicht wissen, wo sie hin wollen, dann wundern Sie sich nicht, dass Sie dort nicht ankommen!

 

3.  Immer von "offen" zu "eng"

Beginnen Sie eine Fragesequenz immer mit möglichst offenen Fragestellungen: "Zumachen" kann man immer, nur "öffnen" geht meist nicht mehr.

 

4.  Methoden zur Öffnung der Interaktionsstruktur

-   Schülerbeiträge "weitergeben" (Nicht sofort antworten, weitere Beiträge annehmen, oder: "Was sagen die anderen dazu?")

-   "Schülerkette": Jeder Schüler, der einen Beitrag geleistet hat, kann bestimmen, wer als nächstes drankommt.

-   Selektiv offene Impulse einführen ("Das ist ja spannend, das sollten wir uns mal genauer ansehen...")

 

5.  Selbstbeobachtung

Das wichtigste Instrument zum Erlernen und Verbessern von Unterrichtsgesprächen ist die Selbstbeob­achtung: Achten Sie

-   auf Ihre Formulierungen

-   auf die Reaktionen der Schüler

-   auf die Richtung, die das Gespräch nimmt

-   auf etwaige pathologische Entwicklungen: z.B. immer kurzschrittigere Fragestellungen, immer kürzere und einsilbigere  Antworten der Schüler, immer weniger Beteiligung ...

 


 

 Meinung 1:

 Der sehr hohe Anteil von Unterrichtsgesprächen am gesamten Unterrichtsaufkommen ist durch eine Analyse seiner latenten Funktionen sehr wohl zu erklären. Offensichtlich stellt das Unterrichtsgespräch ein den gegenwärtigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Schule entgegenkommendes Muster der Legitimation des schulischen Gewaltverhältnisses dar: Die Schüler dürfen mitreden, mitdenken und räsonnieren, aber sie bleiben an der langen Leine des Lehrers, der sie nicht wirklich freigibt. Der Lehrer erscheint als ein freundlicher, auf die Schüler eingehender Mensch, aber er schafft im Gespräch keine von den Schülern in Selbsttätigkeit und Selbständigkeit zu besetzenden Handlungsspielräume, sondern Spielwiesen für Probe-Denken.

Ein gründliches und dauerhaftes Lernen ist m. E. im gelenkten Gespräch kaum möglich, und zwar deshalb nicht, weil es sehr schwer ist, die derart vermittelten Unterrichtsinhalte emotional positiv zu besetzen. Gerade das, was im gelenkten Gespräch erarbeitet worden ist, wird von den Schülern auch besonders schnell wieder vergessen.

 These: Das gelenkte Unterrichtsgespräch ist ein unökonomisches und unehrliches, die Herrschaftsverhält­nisse im Unterricht verschleierndes Handlungsmuster.

 (Meyer, 1991, S. 287)

 

Meinung 2:

 Einerseits: Unterrichtsgespräche sind zu recht so beliebt, weil sie, sofern sie kompetent durchgeführt werden,

-   zielgerichtet, zeitökonomisch und konzentriert durch den Unterrichtsstoff führen,

-   dem Lehrer stets die Kontrolle über die Lernprozesse erlauben (gerade in den inhaltlichen Details und Verästelungen, die für eine Klausur entscheidend sein können)

-   es möglich machen  Abstraktionen und kritische Überlegungen durchzuführen (die mitunter auch die Lehrperson selber interessieren)

-   den Lehrerinnen und Lehrern eine ökonomische Vorbereitung des Unterrichts erlauben (inhaltliche Aspekte können auch noch spontan eingebracht und ergänzt werden; ein "Profi" kann häufig ein Unterrichtsgespräch "aus dem Stand" führen, während er eine Gruppenarbeit mitunter gründlicher vorplanen muss)

-   den Lehrpersonen ausreichend Raum  bieten, sich als Person und als Erzieher einzubringen

 

Andererseits: Unterrichtsgespräche nehmen zu unrecht so übermäßig viel  Raum im Unterrichtsalltag ein, denn

-   sie sind von einer Fachautorität gesteuerte Gespräche, die die Schüleraktivitäten weitgehend  auf  "Antworten" und "Mitdenken" beschränken und dadurch nur wenige fachmethodische Kompetenzen vermitteln (z.B. nicht: selbstständiges Experimentieren, selbstständige Quellenarbeit, selbstständiges Entwickeln wissenschaftlicher Fragestellungen)

-   sie täuschen auch bei anspruchsvollen Gesamtergebnissen darüber hinweg, wie gering der Eigenanteil jeder einzelnen Schülerin und jedes Schülers ist (im Durchschnitt ein Prozent der Gesprächsanteile!)

-   sie vermitteln soziale Kompetenzen nur im Rahmen eines gelenkten Gesprächs; für kooperatives Arbeiten oder Umgang mit selbstorganisierten Gruppen bleibt kein Raum

-   sie erzeugen ein undurchsichtiges Konglomerat von kollektiven Schülerurteilen mit ungeklärtem Lehreranteil - und ermöglichen nicht die Bildung eines fundierten individuellen Urteils.

 

(G. Sämmer)