Informationstexte zum Unterrichtsgespräch
Typen von Unterrichtsgesprächen mit zunehmender
Lenkung durch den Lehrer
*
Die Unterhaltung ist die lockerste Form des Unterrichtsgesprächs:
Schüler und Lehrer tauschen ihre Ansichten und Meinungen aus. Dabei kann der
Gegenstand beliebig wechseln. Man kommt häufig vom hundertsten ins Tausendste.
Je abwechslungsreicher ein solches Gespräch ist, umso unterhaltender und
anregender ist es. Das Unterhaltungsgespräch verläuft im allgemeinen weder
ausgesprochen zielstrebig noch planmäßig. Es läßt den Beteiligten völlige
Freiheit, sich an einem bestimmten Thema zu beteiligen oder nicht bzw. das
Thema zu wechseln.
*
Das Prüfungsgespräch ist eine aus der mittelalterlichen Katechese
entwickelte Form der Leistungskontrolle. Die Lehrerlenkung kann im
Prüfungsgespräch zumeist nur punktuell zurückgedrängt werden -aber selbst dort,
wo ein für beide Seiten interessantes Gespräch entsteht, bleiben eindeutig
geregelte Herrschaftsverhältnisse bestehen.
(nach
Meyer, 1985, S. 280f)
Ein Unterrichtsgespräch
Mitschnitt
einer Video-Aufnahme aus dem Deutschunterricht der 7. Klasse eines Gymnasiums
Thema
der Stunde ist die Kurzgeschichte +Das Nachtpfauenauge* von Hermann Hesse. Die
Schüler hatten die Hausaufgabe, die Geschichte zu lesen; nun rekapituliert der
Lehrer im gelenkten Gespräch, um welche Textsorte es sich handelt:
Lehrer: Ja also, wir sehen, das ist eine Jugenderinnerung,
die er hierbei aufschreibt (schreibt das Wort an die Tafel) und . . . Nun habe
ich noch eine Frage: Wo, in welcher Art Bücher würdet ihr denn so eine ...
Erinnerung erwarten, so eine Geschichte? .. .Außer, daß es nun mal im Lesebuch
drinsteht, nich?... Ja, Ralf?
Ralf: Vielleicht in einem Tagebuch oder so?
Lehrer: Tagebuch? .. . (einige Schüler sagen: Nein)
.., Warum nicht, Jan?
Jan: Weil
das ja über mehrere Jahre geht.
Lehrer: Nun, was schreibt man eigentlich in ein
Tagebuch? .. .Von einem Tag? (mehrere Schüler reden) ... Das heißt also?
Ja!
Schüler: ... daß man da nicht alle
diese äußeren Handlungen da und so schreibt, sondern in einem Tagebuch das, was
man empfindet, mehr dahinschreibt
Lehrer: Ja, und worüber empfindet man es? Das, was
man im Tagebuch schreibt, worüber empfindet man das?
Schüler: Über den einzelnen Tag. Man
kann ja nicht ...
Lehrer: (unterbricht den Schüler) Ja, über welchen
Tag, das ist glaube ich noch nicht ganz deutlich geworden. . . (auffordernd) Im
Tagebuch schreibe ich. . .? Na, nehmen wir mal als Beispiel - heute ist der 25.
10. 1986 - was könnte man im Tagebuch heute abend (wenn jemand Tagebuch führt)
- was könnte man da reinschreiben? Claudia!
Claudia: Das über den Tag, was er erlebt
.hat. Lehrer: Über welchen Tag? Claudia: Heute.
Lehrer: Heute, Genau. Wir hatten aber ja
festgestellt, bei unserer Geschichte, da ist ein Abstand von etwa 22 Jahren. .
. Jens!
Jens: Ich
glaub, in gesammelten Werken und so?
Lehrer: Mmh. Gesammelte Werke. . . Oder? Joachim?
Joachim: Vielleicht im Krimi oder so?
(andere Schüler lachen)
Lehrer: Na!
Schüler: Abenteuerbuch?
Lehrer: (an die übrigen) Abenteuerbuch?
Schüler: In einem Jugendbuch?
Lehrer: Ja, ich glaube, jetzt seid ihr aufs Raten
gekommen. Wir wollen das nochmal überlegen. Wir haben festgestellt, es handelt
sich um eine Jugenderinnerung, die er etwa 20 Jahre später, wie Joachim
vermutet hatte, und das war ja ganz toll, die er 20 Jahre später aufschreibt. .
. Tja, wenn's nicht Tagebuch ist, weil man da gleich etwas aufschreibt,
dann müßte es wohl etwas anderes sein. Na, Silke?
Silke: In
Karl-May-Büchern, da schreibt er ja auch alles also in Ich-Form und schreibt es
dann also...
Lehrer: (unterbricht Silke) Haben wir in dieser
Geschichte Ich-Form?
Schüler: Teilweise wohl.
Lehrer: Teilweise. Ja, ist richtig. Mmh.
Schüler: Vielleicht ist es auch ein
Buch, wo so'ne Lebensbeschreibung von einem Künstler, wo man dann ...
Lehrer: (unterbricht) Ich glaube auch, nich! Das ist
also nicht nur eine Jugenderinnerung, sondern es ist eine Lebenserinnerung
(schreibt das Wort "Lebenserinnerung" an die Tafel).
Schüler: Eine Geschichte aus seinem
Leben vielleicht ...
Schüler: (leise dazwischenredend) Memoiren!
Lehrer: Ja, und hier ist schon jemand ...
Schüler: (zwischenrufend)
Lebensgeschichte!
Lehrer: ... ganz perfekt in Fremdwörtern und sprach
von Memoiren. ‑ Was sind das denn? Schüler: Memoiren sind so
ähnlich... von früheren Erlebnissen...
Lehrer: Ja, das sind Erinnerungen, nich, das ist ein
Wort aus dem Französischen, und da sind die Erinnerungen nun aufgefaßt.
nach:
Hilbert Meyer (1987). Unterrichtsmethoden, Band II, S. 283f
10 Gebote der Fragetechnik - richtig oder falsch?
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ja |
nein |
(1) Vermeiden
Sie "Lehrer-Echo" (Wiederholung dessen, was Schüler gesagt haben)! |
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(2) Formulieren
Sie Fragen grammatisch korrekt! (Also nicht: "Die Hauptstadt von Ecuador
heißt wie?") |
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(3) Geben Sie
keine Informationen selber, die auch Schüler geben könnten! |
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(4) Vermeiden
Sie suggestive Äußerungen ("Ist das wirklich wichtig?")! |
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(5) "Impulse",
d. h. Anregungen in Form von Aussagesätzen, sind besser als Fragen oder Aufforderungen. |
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(6) Vermeiden
Sie "enge" Fragen! Vermeiden Sie insbesondere Entscheidungsfragen (
Fragen, die mit ja oder nein beantwortet werden können)! |
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(7) Vermeiden
Sie "Kettenfragen"! (Beispiel: Am Beginn einer Deutschstunde fragt
der Lehrer: "Wie finden Sie die Novelle? Ist Ihnen irgend etwas
Besonderes aufgefallen? Was sagen Sie zur Hauptfigur?") |
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(8) Stellen
Sie keine "W-Fragen" (Wer, Wie, Was ... ) |
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(9) Lassen Sie
die Schüler nicht im unklaren darüber, ob sie etwas Richtiges
oder Falsches gesagt haben! |
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(10) Stellen
Sie unaufmerksamen Schülern Fragen, die sie nicht beantworten können. |
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Bitte
entscheiden Sie sich und kreuzen Sie an!
Häufige Interaktionsstrukturen beim Unterrichtsgespräch
1.
Das Lehrer-Schüler-"Ping-Pong"-Gespräch |
2.
Das Schüler-Schüler-Impuls-Gespräch |
L
stellt Frage - S1 antwortet - L gibt kurze Rückmeldung oder Kommentar - L
stellt die nächste Frage ...; Schema: L - S1 - L - S2 - L - S3 - L - S4 - ... Kennzeichen: -
sternförmige Interaktionsstruktur -
S antworten nur dem L -
L kontrolliert das Gespräch vollständig und zu jeder Zeit |
L
gibt Impuls - S3 antwortet darauf - S5 antwortet auf S3 - ... Lehrer greift
sporadisch erneut ein durch neuen Impuls Schema: L - S1 - S2 - S3 - S4 - S5 - L - ... Kennzeichen: -
kreisförmige Interaktionsstruktur -
S reagieren auf S und L -
L lenkt nur durch gelegentliche Impulse |
Fragen im Unterricht
Funktionen
Wenn
man seine eigenen Fragetechniken im Frontalunterricht verbessern will, so muß
man sich zunächst einmal Klarheit darüber verschaffen, welche Funktion die
gestellte Frage erfüllen soll:
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Der Lehrer stellt z. B. Fragen, um bei Beginn eines neuen Unterrichtsschritts
die Vorkenntnisse der Schüler zu ermitteln.
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Er stellt Fragen, um ihre Aufmerksamkeil zu wecken. D Er stellt Fragen,
um die Schüler zum Nachdenken zu provozieren.
*
Er stellt Fragen, um die Schüler zu disziplinieren. Diese
Disziplinierungsfragen sind zumeist keine echten Fragen, sondern in Frageform
verkleidete Appelle, Belobigungen oder Tadel.
Der
Spieß kann auch umgedreht werden: Die Schüler haben etwas von sich aus zu
berichten und der Lehrer stellt Fragen, um sich selbst schlau zu fragen (z. B.
dann, wenn die Schüler dem Lehrer einen Computer oder das Frisieren eines
Mopeds erklären).
Formen
Erst
wenn geklärt ist, welche Funktion eine Frage haben soll, kann überlegt werden,
welches ihre angemessene Form ist. Man kann z. B. unterscheiden zwischen:
*
inhalts- / prozeß- / beziehungsbezogenen Fragen: "Wer kennt eine
Definition für Handlungsmuster?" / "Seid ihr jetzt endlich
fertig?" / "Was ist eigentlich heute mit dir los?"
*
Wissensfragen ("Wer ist Alfred Hrdlicka?") und Denkfragen
("Wie könnte ein Denkmal für Friedrich Engels gestaltet werden?")
*
Offene ("Wer weiß noch mehr darüber?") und geschlossene
Fragen ("Wie heißt die Hauptstadt von Frankreich?")
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Konvergente und divergente Fragen: Beim "konvergenten"
Denken wird bereits Bekanntes und Vertrautes auf neue Probleme oder Situationen
angewendet bzw. weiterentwickelt. Beim anspruchsvolleren
"divergenten" Denken müssen neue Sach-, Sinnoder Problemzusammenhänge
durchschaut oder aufgebaut werden, die zum Teil oder ganz im Widerspruch zum bisher
Bekannten stehen.
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"Schrotschuß"-Fragen: Sie sind absichtlich unscharf. Sie
zielen nur ungefähr in die Richtung, in die der Lehrer das Gespräch lenken
will. Sie sollen dazu führen, daß sich möglichst alle Schüler der Klasse
angesprochen fühlen und beteiligen können: "Einige von euch haben doch
sicherlich zu Hause ein Haustier? Erzählt doch mal!"
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"Ballon"-Fragen: Sie greifen in der Ordnung des Lehrgangs vor
und dienen dazu, eine neue Lernlandschaft zu erkunden. Der Lehrer testet, wie
weit er gehen kann, z. B.: "Wißt ihr, was 'ne Anti-Baby-Pille ist?"
Welche
Form der Frage jeweils angebracht ist, hängt vom konkreten Unterrichtsverlauf
ab. Es gibt aber eine Reihe typischer Fehlformen, die sowohl
Berufsanfängern wie Routiniers unterlaufen können:
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Ketten-Fragen: Der Lehrer stellt mehrere Fragen unmittelbar
hintereinander und vermengt sie zumeist noch mit Sachinformationen.
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Suggestiv-Fragen: Der Lehrer will von den Schülern gar nichts Neues
wissen, sondern verpackt seine Aufforderung, zuzustimmen, in Frageform:
"Sind Sie jetzt auch, so, wie ich Ihnen den Sachverhalt erläutert habe,
der Meinung, daß der Euro-Scheck ein praktisches Zahlungsmittel ist?" (Was
sollen die Schüler darauf wohl antworten?)
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Echo-Fragen: Viele Lehrer neigen dazu, Schüler-Antworten zu wiederholen.
Diese Wiederholung wird dann oft noch in Frageform verpackt: "So, meinen
die anderen auch, daß Paris die Hauptstadt von Großbritannien ist?"
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Nase-Pul-Fragen: Der Lehrer stellt eine diffuse Frage, erwartet aber
eine ganz präzise Antwort. Da diese längst nicht immer auf der Stelle folgt,
pult und bohrt er so lange, bis die erwünschte Antwort da ist. Bei der
Nase-Pul-Technik handelt es sich sicherlich um die häufigste und für die
Schüler zugleich lästigste Fehlform der Lehrerfrage.
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Schein-Fragen: In Frageform verpackte Tadel oder Belobigungen,
Ironisierungen, Anbiederungen usw.
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Killer- oder Fangschußfragen: Der Lehrer hat bemerkt, daß ein Schüler
träumt, stört oder mit Nebentätigkeiten beschäftigt ist. Er nimmt ihn dran, um
ihn bloßzustellen: "Na, Heiner, kannst du uns die Aufgabe noch mal
erklären? Du paßt ja grade so prima auf!"
Schüler
registrieren sehr genau, welche Fragetechniken einzelne Lehrer beherrschen oder
nicht beherrschen. Und sie registrieren auch, welche Haltung hinter der
Fragetechnik steckt. Ironische Scheinfragen oder in Frageform verpackte
zynische Kommentare müssen wirklich unterbleiben! (Bei Studenten und
Referendaren rutschen sie auch allenfalls dann heraus, wenn die Angst vor den
Schülern übergroß geworden ist.)
Die
Kultivierung der Lehrerfrage ist die eine der möglichen Maßnahmen zur
Verbesserung der Gesprächsführung - die verstärkte Arbeit mit alternativen
Gesprächs- und Interaktionsformen die zweite! In der Literatur wird
eine ganze Palette solcher Alternativen beschrieben. Sie haben durchweg zum
Ziel, den Schülern mehr Freiräume zu verschaffen, um ihre eigenen Erfahrungen,
Bedürfnisse und Interessen im Gespräch einzubringen:
Impulse
Im
Unterricht verstehen wir unter Impuls eine neben und meist an Stelle der
Lehrerfrage wirksame sprachliche, mimische oder gebärdenhafte Beeinflussung der
Schüler durch den Lehrer. Ein Impuls ist also von seiner Funktion her
definiert: Alles, was die Schüler zum Nachdenken oder zum Handeln bewegen
kann, kann von einem Lehrer mit differenzierter Verbal- und Körpersprache
zum Impuls gemacht werden:
* das Foto, das er ohne jeden weiteren Kommentar hochhält,
* die Provokation, die Gegenthese, die Verfremdung, mit der
er vermeintlich sicheres Wissen in Frage stellt,
* die hochgezogene linke Augenbraue des Lehrers, mit der er
Erstaunen oder Unzufriedenheit signalisiert,
* sein leises Stöhnen bei einer falschen Antwort,
* sein Schweigen.
Der Impuls ist zumeist offener als die Lehrerfrage:
nach:
Meyer, S. 207ff
Einige Hinweise zur Verbesserung der Gesprächstechnik
1. Das Unterrichtsgespräch als bewusste Entscheidung
Ist
die Entscheidung für ein Unterrichtsgespräch "automatisch" (als
"Lehrerstandardreflex") oder ganz bewusst getroffen worden? Klären
Sie insbesondere folgende Fragen:
- Ist mehr Schülerselbständigkeit möglich?
Können die Unterrichtsgegenstände nicht auch und genauso effektiv durch weniger
Lehrerlenkung (z.B. in Einzel- Partner- oder Gruppenarbeit) erarbeitet werden?
- Wäre ein Lehrervortrag effektiver?
Viele Unterrichtsgegenstände können von den Schülern gar nicht durch
"eigenes Nachdenken" gefunden werden (z.B. Fachbegriffe,
Definitionen, bestimmte Forschungsergebnisse). In diesen Fällen teilen Sie dies
ohne Umstände mit, statt es umständlich suggestiv "herauszufragen".
2. Erkenntnisziele klären
Bevor
Sie die erste Frage stellen: Formulieren Sie wörtlich, zu welcher
Erkenntnis die nun folgende Gesprächssequenz führen soll. ("Die
Schülerinnen sollen im Gespräch erkennen, dass ... ") Wenn Sie nicht
wissen, wo sie hin wollen, dann wundern Sie sich nicht, dass Sie dort nicht
ankommen!
3. Immer von "offen" zu "eng"
Beginnen
Sie eine Fragesequenz immer mit möglichst offenen Fragestellungen:
"Zumachen" kann man immer, nur "öffnen" geht meist nicht
mehr.
4. Methoden zur Öffnung der Interaktionsstruktur
- Schülerbeiträge "weitergeben"
(Nicht sofort antworten, weitere Beiträge annehmen, oder: "Was sagen die
anderen dazu?")
- "Schülerkette": Jeder Schüler, der
einen Beitrag geleistet hat, kann bestimmen, wer als nächstes drankommt.
- Selektiv offene Impulse einführen ("Das
ist ja spannend, das sollten wir uns mal genauer ansehen...")
5. Selbstbeobachtung
Das
wichtigste Instrument zum Erlernen und Verbessern von Unterrichtsgesprächen ist
die Selbstbeobachtung: Achten Sie
- auf Ihre Formulierungen
- auf die Reaktionen der Schüler
- auf die Richtung, die das Gespräch nimmt
- auf etwaige pathologische Entwicklungen: z.B.
immer kurzschrittigere Fragestellungen, immer kürzere und einsilbigere Antworten der Schüler, immer weniger Beteiligung
...
Meinung 1:
Der
sehr hohe Anteil von Unterrichtsgesprächen am gesamten Unterrichtsaufkommen ist
durch eine Analyse seiner latenten Funktionen sehr wohl zu erklären.
Offensichtlich stellt das Unterrichtsgespräch ein den gegenwärtigen
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Schule entgegenkommendes Muster der
Legitimation des schulischen Gewaltverhältnisses dar: Die Schüler dürfen
mitreden, mitdenken und räsonnieren, aber sie bleiben an der langen Leine des
Lehrers, der sie nicht wirklich freigibt. Der Lehrer erscheint als ein
freundlicher, auf die Schüler eingehender Mensch, aber er schafft im Gespräch
keine von den Schülern in Selbsttätigkeit und Selbständigkeit zu besetzenden
Handlungsspielräume, sondern Spielwiesen für Probe-Denken.
Ein
gründliches und dauerhaftes Lernen ist m. E. im gelenkten Gespräch kaum
möglich, und zwar deshalb nicht, weil es sehr schwer ist, die derart
vermittelten Unterrichtsinhalte emotional positiv zu besetzen. Gerade das, was
im gelenkten Gespräch erarbeitet worden ist, wird von den Schülern auch
besonders schnell wieder vergessen.
These:
Das gelenkte Unterrichtsgespräch ist ein unökonomisches und unehrliches, die
Herrschaftsverhältnisse im Unterricht verschleierndes Handlungsmuster.
(Meyer,
1991, S. 287)
Einerseits:
Unterrichtsgespräche sind zu recht so beliebt, weil sie, sofern sie kompetent
durchgeführt werden,
- zielgerichtet, zeitökonomisch und
konzentriert durch den Unterrichtsstoff führen,
- dem Lehrer stets die Kontrolle über die
Lernprozesse erlauben (gerade in den inhaltlichen Details und
Verästelungen, die für eine Klausur entscheidend sein können)
- es möglich machen Abstraktionen und kritische Überlegungen durchzuführen
(die mitunter auch die Lehrperson selber interessieren)
- den Lehrerinnen und Lehrern eine ökonomische
Vorbereitung des Unterrichts erlauben (inhaltliche Aspekte können auch noch
spontan eingebracht und ergänzt werden; ein "Profi" kann häufig ein
Unterrichtsgespräch "aus dem Stand" führen, während er eine
Gruppenarbeit mitunter gründlicher vorplanen muss)
- den Lehrpersonen ausreichend Raum bieten, sich als Person und als Erzieher
einzubringen
Andererseits:
Unterrichtsgespräche nehmen zu unrecht so übermäßig viel Raum im Unterrichtsalltag ein, denn
- sie sind von einer Fachautorität gesteuerte
Gespräche, die die Schüleraktivitäten weitgehend auf "Antworten"
und "Mitdenken" beschränken und dadurch nur wenige fachmethodische
Kompetenzen vermitteln (z.B. nicht: selbstständiges Experimentieren,
selbstständige Quellenarbeit, selbstständiges Entwickeln wissenschaftlicher
Fragestellungen)
- sie täuschen auch bei anspruchsvollen
Gesamtergebnissen darüber hinweg, wie gering der Eigenanteil jeder einzelnen
Schülerin und jedes Schülers ist (im Durchschnitt ein Prozent der
Gesprächsanteile!)
- sie vermitteln soziale Kompetenzen nur
im Rahmen eines gelenkten Gesprächs; für kooperatives Arbeiten oder Umgang mit
selbstorganisierten Gruppen bleibt kein Raum
- sie erzeugen ein undurchsichtiges Konglomerat
von kollektiven Schülerurteilen mit ungeklärtem Lehreranteil - und ermöglichen
nicht die Bildung eines fundierten individuellen Urteils.
(G.
Sämmer)